Psychosoziale Hilfe für seh- und gehörbehinderte Menschen nach traumatisierenden Erlebnissen

Prof. Dr. Robert Bering vor dem Zentrum für Psychotraumatologie

Behinderte Menschen bedürfen in psychischen  Krisensituationen, nach Gewalt-, Schadens- oder Katastrophenereignissen,  einer besonderen Unterstützung.

Diese Erkenntnis führte zu einem europaweiten Projekt, um hierfür angepasste Konzepte zu entwickeln. Die Forschungsarbeiten werden unter dem Namen EUNAD maßgeblich vom Zentrum für Psychotraumatologie unter der Leitung von Professor Dr. Robert Bering vorangetrieben.

In Krefeld etablierte das Zentrum für Psychotraumatologie bereits in diesem Jahr ein konkretes Hilfsangebot für  gehörbehinderte Menschen, die Opfer von Gewalt wurden.

Jennyfer Söhn ist geprüfte Gebärdensprachdolmetscherin, Diplom-Sozialpädagogin und Heilpraktiker für Psychotherapie. Im Rahmen der Anlaufstelle „Krefelder Krisenhilfe“ bietet sie Beratung und Erstintervention für Gehörlose an.

Europäisches Netzwerk für psychosoziales Krisenmanagement - Hilfe für behinderte Menschen im Katastrophenfall

Das Zentrum für Psychotraumatologie wird seit längerer Zeit von der europäischen Gemeinschaft unterstützt, gemeinsam mit unseren Nachbarländern Konzepte für die so genannte Psychosoziale Notfallversorgung nach Katastrophen und Schadensfällen zu entwickeln. Es geht um die Frage, wie wir Menschen bei der Verarbeitung von schwerwiegenden Belastungen unterstützen können und wie wir die Entwicklung von Belastungsstörungen vermeiden können. So liegt es zum Beispiel erst wenige Jahre zurück, dass wir die Katastrophe der Love Parade oder den Einsturz des Kölner Stadtarchivs zu beklagen hatten. Es geht also um die Implementierung von zielgerichteten Interventionsprogrammen, die insbesondere Betroffene mit einem Risikoprofil identifizieren können beziehungsweise die psychische Widerstandsfähigkeit gegenüber diesen Einflüssen (Resilienz) stärken können.

Bisher gibt es wenige spezielle Hilfsprogramme, die sich mit der besonderen Situation von behinderten Menschen beschäftigt haben. Das Zentrum für Psychotraumatologie koordiniert  unter der Leitung von Professor Dr. Bering ein europäisches Projekt, das sich mit der besonderen Lage von Gehörlosen und Blinden beschäftigt.

Welche Hilfe benötigen Menschen zur Bewältigung akuter Ereignisse und worauf müssen wir bei der mittel- und langfristigen Versorgung achten?

Um eine Antwort auf diese Frage zu bekommen, wurden in Israel, Tschechien, Norwegen, Dänemark und Deutschland Workshops durchgeführt und die Ergebnisse im vergangenen Jahr auf einer Tagung in Prag zusammengetragen.

Andere Regionen der Welt sind sehr viel häufiger von Kriegs- und Katastrophenlagen betroffen. Aktuell ist es wieder zu einer schweren Eskalation im Nahen Osten gekommen. Um hierauf vorbereitet zu sein, haben die Israelian Trauma Coalition (ITC) von Talia Levanon und die Arbeitsgruppe Community Stress Prevention Center (CSPC) um Mooli Lahad am Tel Haig College in Nordisrael Workshops für Blinde durchgeführt. Sie werden befragt, was in Katastrophenfällen für sie eine Belastung ist und über welche Wege Entlastung geschaffen werden kann. In Israel wurde eine Tagesstätte für Blinde eingerichtet, mit deren Hilfe der Zusammenhalt gestärkt und die Inklusion in das gesellschaftliche Leben gefördert warden kann.

Nach Erkenntnissen der Psychotraumatologie ist diese Resilienzbildung in Gemeinschaften effektiv, Belastungsstörungen vorzubeugen.   

Ähnlich wie in den europäischen Ländern beklagen die Betroffenen seh- und gehörbehinderten Menschen in Israel, dass nicht der Sonderfall, sondern der Alltag tägliche Krisen auslöst, die sie bewältigen müssen. Wie können wir uns besser auf Menschen mit Behinderungen einstellen? So hat die israelische Arbeitsgruppe eine „App“ entwickelt, die die Kommunikation mit Gehörlosen in alltagstypischen Situationen und Gefahrenlagen wesentlich vereinfacht.

Auf europäischer Ebene erhoffen sich die Projektpartner, dass über die Erkenntnisse der nationalen und internationalen Workshops zum Thema der Seh- und Hörbehinderung im Schadensfall Erkenntnisse erzielt werden, die bei der Formulierung und Implementierungen von Empfehlungen der Europäischen Kommission hilfreich sind.

Die bisherigen Forschungsergebnisse bieten gute Ansätze, weitere praktische Hilfen in Deutschland und in Krefeld zu implementieren.