Krisenmanagement bei CBRN-Schadenslagen in Krankenhäusern verbessern
Das Projekt „Psychosoziales Krisenmanagement in CBRN-Lagen“ trägt dazu bei, bei Unfällen und Anschlägen mit chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Gefahrstoffen bestmöglich vorbereitet zu sein. Unter Federführung der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) und in Verbindung mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) sowie weiteren europäischen Projektpartnern wurden Ausbildungscurricula für Einsatzkräfte entwickelt, um mit den psychosozialen Auswirkungen von CBRN Schadenslagen besser umzugehen.
Das Zentrum für Psychotraumatologie (ZfP) der Alexianer Krefeld GmbH hat im Rahmen dieses Projekts, die Aufgabe übernommen, Schulungen für Krankenhauspersonal zu entwickeln und durchzuführen. Gemeinsam mit den europäischen Partnern geht es um die Erarbeitung einer Grundlage, die zur Umsetzung von letztlich europaweit gültigen Standards führen kann. Das Projekt ist EU-gefördert.
Am Mittwoch,den 28. November 2012 fand im Krankenhaus Hedwigshöhe in Berlin Treptow-Köpenick eine Schulung für Mediziner und Pflegekräfte im Krankenhaus statt. Diese Schulung steht in enger Verbindung mit dem EU-geförderten Projekt „Psychosoziales Krisenmanagement in CBRN-Lagen“.
Das Krankenhaus Hedwigshöhe könnte künftig durch die Nähe zum neuen Großflughafen Berlin-Brandenburg stärker eingebunden sein in die Versorgung von Menschen bei CBRN-Schadensfällen. Deshalb stieß hier von vornherein das Angebot der Durchführung der Schulung auf großes Interesse. Aber auch ohne diese offensichtliche, infrastrukturell bedingte, erhöhte Bedarfslage nach einer Krisenmanagementstruktur sind mehr oder weniger alle somatischen Krankenhäuser potentiell betroffen.
Ein Großbrand in einer Krefelder Düngemittelfabrik im September 2012 zeigte deutlich das Gefährdungspotential in ganz Deutschland und in allen industrialisierten Staaten. Die Rauchschwaden zogen über dicht besiedelte Gebiete im Duisburger Süden. Eine solche Situation erzeugt Unbehagen, Ängste, unter Umständen Traumatisierungen, auch wenn in diesem Fall die Emissionen als gesundheitlich unbedenklich eingestuft wurden. Wirklich die Gesundheit schädigende Emissionen bedürfen eines eng koordinierten Krisenmanagements aller Institutionen nach einem gemeinsamen Plan. Durch Schulungen, wie in Berlin Hedwigshöhe, werden diese Standardverfahren trainiert.
Bereits erste Überlegungen zu einem möglichen CBRN-bezogenen Einsatz im Krankenhaus zeigen den besonderen Bedarf nach Schulung und Training.
Stellen Sie sich vor:
Der Arzt oder die Pflegekraft tritt dem wahrscheinlich Kontaminierten in einem Schutzanzug entgegen. Der Helfer ist für den Betroffenen nicht ohne weiteres als solcher zu erkennen. Dieser fühlt sich nicht unbedingt krank, befindet sich aber in einer stark beängstigenden Situation, noch verstärkt durch die unter Umständen notwendige Isolierung von dritten Personen und anstehenden Dekontaminationsmaßnahmen, wie etwa die Ganzkörperdusche. Der Helfer muss deshalb viel stärker als gewohnt beruhigend und vertrauensbildend einwirken. Zusätzlich ist er selbst durch die Schutzmaßnahmen in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt und unterliegt ebenfalls Ängsten gegenüber einer möglichen Selbstkontamination.
Ärzte sowie Krankenschwestern und Krankenpfleger sind die Zielgruppe für diese Schulung, die für die Dauer eines Tages neben den theoretischen Grundlagen den Schwerpunkt die Besonderheiten der Einsatzsituation bei CBRN-Schadenslagen praktisch vermittelt. Mit Hilfe von Schauspielern werden zur Veranschaulichung mögliche Situationen vorgespielt. Im späteren Verlauf der Schulung wird das Gelernte anhand des Szenarios „Chemieunfall“ von den Teilnehmern selbst praktisch geübt.
Was sind die Anforderungen an einen funktionierenden Bevölkerungsschutz bei CBRN-Schadenslagen?
(Auszug aus „Psychosoziales Krisenmanagement in CBRN-Lagen“, Hrsg. BBK Bonn, 06-2011)
Das Risiko für chemische, biologische und radiologische Lagen (CBRN-Lagen) ist in den letzten Jahren auch in Deutschland deutlich gestiegen. So verzeichnen wir zum Beispiel eine große Anzahl von Gefahrguttransporten auf unseren Straßen und Schienen und terroristische Anschläge mit einer “dirty bomb“ sind nicht auszuschließen.
Der CBRN-Schutz gewinnt dementsprechend seit einigen Jahren zunehmend an Bedeutung. CBRN-Lagen sind für Einsatzkräfte und Führungskräfte eine besondere fachliche Herausforderung. Sie erfordern den Einsatz anspruchsvoller Technik. Das Bedienen der Technik und das richtige Interpretieren von Messergebnissen bedeuten eine hohe Anforderung an die Ausbildung. Bund, Länder und Organisationen der Gefahrenabwehr reagieren darauf mit umfangreichen Aus- und Fortbildungsangeboten für Einsatzkräfte und Führungskräfte, die auf die neueste technische Entwicklung im CBRN-Schutz abgestimmt sind. Gleichzeitig werden die strukturellen Einsatzgrundsätze aktualisiert.
In jüngster Zeit werden zunehmend auch Erkenntnisse aus der Psychologie und Soziologie bei der Konzeptentwicklung und der Aus- und Fortbildung im CBRN-Schutz einbezogen. Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass CBRN-Einsätze für alle direkt oder indirekt Beteiligten eine hohe psychische Belastung bedeuten können. Die Anzahl psychisch belasteter Betroffener kann bei CBRN-Lagen um ein Vielfaches höher sein als die Anzahl körperlich Verletzter. Bei Übungen der jüngsten Vergangenheit hat sich gezeigt, dass sich durch psychosoziales Wissen und gezieltes psychologisches Handeln Angst bei den Betroffenen reduzieren und deren Verhalten verändern lässt. Dadurch ist zu verbessern, dass Einsätze koordinierter ablaufen. Außerdem lässt sich durch die Berücksichtigung psychosozialer Erkenntnisse die Handlungskompetenz und Handlungssicherheit der Einsatzkräfte im Umgang mit Betroffenen stärken. Das reduziert erwiesenermaßen Einsatzstress und schützt wirksam vor langfristigen psychischen Belastungsfolgen.
Die Ausgangslage für das Forschungsprojekt
(Auszug aus „Psychosoziales Krisenmanagement in CBRN-Lagen“, Hrsg. BBK Bonn, 06-2011)
Im deutschen und europäischen Sprachraum gibt es bisher nur wenig wissenschaftliche Erkenntnisse zu psychosozialer Belastung, zum Psychosozialen Krisenmanagement und dabei speziell zur Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) in CBRN-Lagen. Das Thema ist noch nicht Bestandteil von CBRN-Spezialausbildungen.
Aus diesem Grund wurde 2007 vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Referat „Psychosoziale Notfallversorgung“, mit Unterstützung der Referate „Technischer CBRN-Schutz“, „Gesundheitlicher Schutz vor CBRN-Gefahren, seuchenhygienisches Management“ sowie des Lehrbereiches „Spezialwissenschaften im Bevölkerungsschutz“, ein interdisziplinärer Expertenkreis, bestehend aus Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen sowie erfahrenen Einsatzkräften und Führungskräften aus dem CBRN-Schutz gebildet, der seitdem regelmäßig tagt.
Ziel dieses Expertenkreises ist die Weiterentwicklung von Forschungsfragen und Handlungsempfehlungen für die Praxis auf der Basis nationaler und internationaler wissenschaftlicher Erkenntnisse und Einsatzerfahrungen zum Psychosozialen Krisenmanagement bei CBRN-Lagen. Nach Sichtung und Auswertung der nationalen und internationalen Literatur wurde beschlossen, ein Schulungskonzept zum Psychosozialen Krisenmanagement in CBRN-Lagen für Einsatz- und Führungskräfte zu entwickeln und zu erproben. Die ersten Ergebnisse der Arbeit der Experten und des Schulungsprojektes sind in der Schrift „Psychosoziales Krisenmanagement in CBRN-Lagen“ zusammengefasst.
CBRN statt ABC
(Auszug aus „Psychosoziales Krisenmanagement in CBRN-Lagen“, Hrsg. BBK Bonn, 06-2011)
In Deutschland wird die Abkürzung „ABC“ im Einsatzwesen für Gefahren durch ionisierende Strahlung (A), biologische (B) oder chemische (C) Lagen genutzt.
In Anpassung an die Begrifflichkeit der Europäischen Kommission und der internationalen Wissenschaft setzt sich in der Gefahrenabwehr zunehmend die Abkürzung CBRN-Lagen für chemische (C), biologische (B), radiologische (R) oder nukleare (N) Lagen durch.